Offener Brief der Arbeitsgemeinschaft "Gedenkstätten an Orten früher Konzentrationslager" (AGGOK)
8. April 2025
Sehr geehrte Damen und Herren,
in der Arbeitsgemeinschaft „Gedenkstätten an Orten früher Konzentrationslager“ (AGGOK) sind 19 Einrichtungen aus zwölf Bundesländern zusammengeschlossen. Ziel unseres Verbunds sind Kooperationen in Forschung und Bildung sowie das gemeinsame Bestreben, die authentischen Orte der frühen Konzentrationslager zu erhalten und ihre öffentliche Sichtbarkeit zu fördern.
Mit großer Bestürzung haben wir erfahren, dass die sächsische Staatsregierung in ihrem Haushaltsentwurf für die Jahre 2025/26 keine Mittel für die zweite Phase des Projekts zur Errichtung einer Gedenkstätte auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenburg vorgesehen hat. Sollten diese Mittel nicht in den Haushalt eingestellt werden, würde dies die landesweite Erinnerungskultur für die Opfer des Nationalsozialismus massiv schwächen und ein wichtiges historisches Erbe aufs Spiel setzen.
Wir weisen nachdrücklich darauf hin, dass die entstehende Gedenkstätte Sachsenburg ein einzigartiges Potenzial hat, essenzielles Wissen über die Anfangszeit der NS-Diktatur zu vermitteln. Die Bedeutung der Sachsenburg als Tatort zur Zerstörung der Demokratie und Etablierung der NS-Diktatur ist im Landeskontext nicht hoch genug einzuschätzen. Sachsenburg war das größte frühe Konzentrationslager in Sachsen und steht exemplarisch für die Verwandlung eines einst demokratisch geprägten Staates in einen Schauplatz unkontrollierbarer nationalsozialistischer Gewalt.
Seit 2019 setzen wir uns gemeinsam für eine würdige Gedenkstätte in Sachsenburg ein und beobachten kritisch, dass die lange Verzögerung bei der Errichtung der Gedenkstätte bereits zu erheblichen Schäden an dem einzigartigen Gebäudeensemble des ehemaligen Lagers geführt hat. Sollte die zweite Phase des Projekts nicht finanziert werden, droht eine unwiederbringliche Zerstörung der ehemaligen Lagerkommandantur, die einzigartige Spuren des nationalsozialistischen Terrors in sich trägt.
Dabei ist eine konstruktive Alternative mit Unterstützung von Stadt und Bund möglich und auch schon realistisch geplant. Bereits im Jahr 2022 wurde das Gedenkstättenprojekt durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) im Rahmen der Gedenkstätteninitiative des Bundes zur Förderung bewilligt. Die erste Phase, die 2024 begann, umfasst überwiegend infrastrukturelle Maßnahmen und verläuft erfolgreich. Der zweite Teil ist jedoch essenziell, da er die notwendige Sanierung des Kommandanturgebäudes sowie die Errichtung eines Besucherzentrums mit Dauerausstellung und Seminarräumen vorsieht. Ohne diese zweite Phase wird das gesamte Projekt nicht umgesetzt, wodurch bereits investierte Mittel verloren wären.
Angesichts der aktuellen Entwicklungen in Deutschland, Europa und der Welt – darunter das Erstarken rechtsradikaler und populistischer Bewegungen, die Krise demokratischer Institutionen und die Zunahme geschichtsrevisionistischer Tendenzen – ist die Vermittlung historischen Wissens zur Zerstörung der ersten deutschen Demokratie und den Anfängen des Nationalsozialismus dringender denn je. Eine wachsame Erinnerungskultur trägt dazu bei, gesellschaftlichem Extremismus entgegenzuwirken und die Bedeutung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu verdeutlichen, dazu muss sie aber auch das notwendige Fundament erhalten.
Wir appellieren eindringlich an alle politisch Verantwortlichen, diese Entscheidung zu revidieren und die Finanzierung der Gedenkstätte Sachsenburg sicherzustellen. Die Realisierung der Gedenkstätte ist nicht nur ein Zeichen der Verantwortung gegenüber den Opfern des NS-Regimes, sondern auch ein mahnendes Beispiel für nachfolgende Generationen. Lassen Sie nicht zu, dass dieses historische Erbe durch finanzielle Kürzungen unwiederbringlich verloren geht.
Mit nachdrücklichem Protest und der Hoffnung auf eine Kurskorrektur verbleiben,
im Namen der bundesweiten AG "Gedenkstätten an Orten früher Konzentrationslager":
Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg Ulm, KZ-Gedenkstätte
Förderverein Projekt Osthofen e.V.
Gedenk- und Lernort ehemaliges KZ Kemna
Gedenkstätte Ahrensbök
Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt
Gedenkstätten Brandenburg an der Havel
Gedenkstätte Brauweiler des Landschaftsverbands Rheinland
Gedenkstätte Esterwegen
Gedenkstätte Konzentrationslager und Strafanstalten Fuhlsbüttel 1933 - 1945 der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen
Gedenkstätte KZ Lichtenburg Prettin
Gedenkstätte KZ Sachsenburg
KZ-Gedenkstätte Dachau
KZ-Gedenkstätte Moringen
Der offene Brief kann hier als PDF-Datei heruntergeladen werden.